Lyrik & Foto

Rive Droite

Rive Droite

(Liedgut aus Liège , Februar 2016 )

1

Spiele wieder auf der Bühne
dieser fremden Stadt
ein Stück das seine Erfolge
recht weit schon hinter sich hat

hierher reisen : ausgelutschtes
Ritual , Bananenschale
ich opfere mich ehrlicherweise selbst
indem ich rutsche und falle

die Welt hier weiß mittlerweile
was ich brauch und bestelle
ich ordere immer dasselbe…
bestellt da wer anders – an meiner Stelle ?

2

Eins-A – Lage trotz/ wegen/ inmitten
gescheiterter Existenzen
die in dieser Stadt  matt glänzen
Pflichten und Referenzen  schwänzen

Pfützen warten auf Drainage
der Herbst zwingt in Wintermonturen
schwarze Straßenreinigerfrau
beseitigt  unwichtige Spuren

3

Regenfest verzurrte Mama
auf das Schlimmste eingestellt
doch die Welt ist einfach stärker
böse böse böse Welt

auch der Wind ist einfach stärker
und jetzt regnet es auch noch !
sagt ich nicht die Welt ist böse
nein sie ist ein Höllenloch

doch an IHR hats nicht gelegen
befreiter so die schlechte Laune
jetzt muss Welt in Trümmer sinken
SIE ist Jerichos Posaune

4

Voll ausgebremst hat jeder jeden
auf dieser Spur kommt keiner weiter
fast fertig die Petrifizierung
verstopft ist dieser Euter

das ist der Stau -und Sackgassen –
Tango keiner kommt hier voran
da hilft kein Elan
in den Lobbys streikt das Weh-lan

5

Gesangsstundenmorgen :
in Liège singe ich unbeschwert
das Leben nur gute Handreichung
Pessimisten werden eines Guten belehrt

die Viertel noch nicht gentrifiziert
Gentrifizierung noch eine Alternative
sanft und historisch sensibel
für die Bruchbuden der deux rives

6

Schwarzstrümpfig langbeinig
stöckelt sie  stochert und stakt
den Bürgersteig entlang
der an ihren Absätzen nagt

langbeinig schwarzstrümpfig
trickst sie die Pfützen aus
wer sie sieht hofft inbrünstig
sie sei noch länger nicht zuhaus

sie sei noch länger unterwegs
und widmet sich uns noch ein wenig
mit ihr ist auch dieser Außenbezirk
an keinem Fleck eintönig

7

Operngläser Mikroskope
kostenloser Fernglasverleih
so viel zu sehen nimms wahr und mit
für jeden ist etwas dabei

Hubble-Teleskop: der Blick
auf städtischem Wühltisch mal mit Stil
in 360 Grad Rundblick
für jeden was , für alle viel

8

Eine schöne Frau ! im Schatten ?
was nimmt ihr den Glanz ?
sie sitzt neben einer SEHR sehr Schönen !
die erzeugt um sich rum nur Vakanz

sie treibt die Blicke ein
Natur erlaubt kein Vakuum
drum gibt es um die SEHR Schöne
nur Durchschnitt drum herum

9

Die Fruchtbarkeitsfühler
von Wüste und Löschpapier
3- Tage- Bart und Schweigegelübde
amuse geule und Gaumengespür

von Wartespiel , Annunziata : die Stadt
wiederholt fertil .Und auf ihr bereit
vor Nilschwemme und `alles einsteigen !´
liegt ein Film von Empfänglichkeit

eine Prise von Gaumenkitzel
im Funkenflug aufgeraut
im Winter von Spielarrangement
knistrig betaut

10

Wie gut ! Die Stadt bleibt unter
ihren Möglichkeiten , leer  !
zwei Drittel aller Etagen stehn leer
Glasscheiben zerbrochen : Ein Hauch DDR

das umgibt den neuen Skyscraper
den zeitgenössischen gläsernen Zahn
der blinkt den Reisenden
unplombiert von weither an

wallonische Deindustrialisierung
Schornstein-Emissionen ätzen
Brache und verrußte Wände
in Fensterhöhlen Gardinenfetzen :

Man nutzt hier sein Geld für Anderes !
Das Beste aus den 50er Jahren
hat die Stadt geschafft
irgendwie aufzubewahren

daneben macht die redlich
moderne Investitionsruine
zu recht gutem Spiel
bestmögliche Miene

11

Ein Ladenmädchen in Neon
verkauft Seife und Bio und Blattspinat
Studentin mit 3-Tage-Bart Bekanntem
der trägt vor ihr kein Feigenblatt

12

Vor Hotel und Barockfassade
Frau an Bushaltestelle im Regen
Joggerstudenten im Februarsturm
vor Straßenfegern die fegen

grau versandete Fugen
ein Karneval in Grau
Ziegelsteinschorf an Bushaltestelle
im Regen die Frau

13

Der Einzelhandel tapfer ,
Lüttich verschüttet im Wintermonsun
Verkäufer aus dem Maghreb
oder aus Gabun

in jeder Geschäftszelle
je eine Einzelhaft
für motivierte aber überforderte
Halbtagskraft

eine Halbtagskraft
überfordert aber motiviert
die den Überblick
gar nicht erst verliert

Scheibenbruch gegenüber
der Normalfall , Normal-Null
nur die Apotheken sind geleckt
modern transparent und cool

14

Eine Stadt tarnt sich in Hässlichkeit aber
hinter jeder Ecke taucht das U-Boot wieder auf
schöne Frauen vermitteln
schöne Frauen zuhauf

alles nur ein Trick der Schönen
sie nehmen den Schatten in Kauf
mehr noch als Kneipen haben
Coiffeur und Visagist ihren Lauf

die Schönen haben entsprechend
permanentes Heimspiel
der Kontakt die freundliche Nähe
zum Müll irgendwie ihr Stil

zwischen wallonischer Brache
und Enklaven-Idyll
geht es gemütlich zu
die Stadt trägt Dauer- Dessous

15

Warten im Café
wie in fernöstlichem Überseehafen
man ist schläfrig will aber
Großereignisse nicht verschlafen

delabrierte Prosperität
wie in viktorianischem Küstenort
Kalender und Uhren haben hier
nicht das letzte Wort

16

So viele Mäntel , so viele Schirme
die im Café erst verstaut sein wollen
gesichert auf engstem Raum
als würden sie hier gestohlen

die leere Kneipe/ die volle Kneipe
das Wirken sozialer Magnete
der Wirt hier wartet ins Leere
hofft dass das Leben sich nicht verspäte

Der Zauberlehrling verpfuscht das Rezept
die Regenflut erdrosselt Café-Insassen
auch drinnen ists kalt und nass
wie hinter dem Glas auf den Straßen

der Mittagsschlaf bietet seine  Dienste
schon am Morgen an
gute Pläne und Vorsätze
gelten grundsätzlich : für irgendwann

17

So wird man Alkoholiker
das Bier verhält sich komplementär
zu den Verlusten des Tages
tut sich nicht mit dem Verständnis schwer

oder Jesus schick mir einige Schönheiten her
etwas Wärme das richtige Licht
mehr an Liquidität
brauche ich nicht

18

ne schräge Type wie Amy Whinehouse
ja die  würde mich verstehen
wäre ein rechter Schlüsselbart
sich in meinem Schlüsselloch zu drehen

der Heimatlose hört im Radio
jeder versucht sich am Evergreen
es ist nicht sehr oft angenehm
bei allem müden Bemühn .

Man ist sich bekannt aus dem Niedriglohn-
sektor , zutraulich und zerstreut
Du glaubtest so gerne Du kennst diese Stadt
die Dich einen Tag betreut